Historische Optiken/Vintage Lenses

Uns stehen heute für unsere hochauflösenden Digitalkameras die besten Objektive zur Verfügung, die es je gab! Stimmt, fragt sich nur, wie wir das "beste" definieren. Wenn man nur Auflösung, Schärfe, Brillianz und Lichtstärke berücksichtigt, ist das sicherlich so. Wenn man aber z.B. viel mit Unschärfe arbeitet,  ist man schnell enttäuscht.

We certainly have the best lenses ever available for our high resolution digital cameras! That might be true, but how do we define "best"? If we only look at resolving power, sharpness, brilliance, or speed, the above statement sure is correct. However, a photographer working a lot with in- and out-of-focus is easily disappointed.

 

Viele alte Objektive sind von erstaunlich hoher Qualität und zeigen oft Eigenschaften, die man heute nicht mehr kennt. Bestimmte Abbildungsfehler führen zu Effekten, die den Bildern oft einen ganz speziellen Charakter verleihen. Petzval, Dagor und Heliar sind sicher die bekanntesten und am meisten geschätzen Konstruktionen dieser Art. Zudem sind die alten Blenden in der  Regel viel feiner gearbeitet und liefern im Zusammenspiel mit der entsprechenden Objektivkonstruktion oft ein wunderbares Bokeh. Wegen der fehlenden Vergütung ist der Kontrast meist etwas weicher, was man zumindest in der SW-Fotografie durch die Entwicklung ausgleichen kann, was ich in manchen Situationen aber auch sehr schätze. Ich liebe es, mit solchen alten Optiken zu experimentieren und mir deren Stärken zunutze zu machen, um Bildern einen spezifischen Charakter zu geben. Mit meinen Großformat-Kameras kann ich problemlos auch Objektive nutzen, die über hundert Jahre alt sind, und tue dies auch regelmäßig mit großer Freude.

Many vintage lenses are of surprisingly high quality and often show characteristics unknown among modern lenses. Certain abberations and imperfections yield effects that may give an image a very special character. Petzval, Dagor, and Heliar certainly are the most prominent and treasured examples of this kind. Furthermore, the old diaphragms are usually much more elaborate, almost perfectly round, which together with the right lens construction often results in beautiful bokeh. The absence of coating results in a somewhat lower contrast, which can be compensated by the film development at least for b&w. In some situations the lower contrast even can be an advantage. I love to experiment with such vintage lenses and utilize their specific strengths in order to achieve a specific character of an image. With my large format cameras it is no problem to use such lenses, of which many are more than 100 years old, and I enjoy doing this quite often.

Petzval Objektive

Jozef Maximilian Petzval stammte aus Ungarn (heute Slowakei) und war Mathematiker in Wien. Er legte den Grundstein für die Konstruktion moderner Objektive aufgrund mathematischer Berechnungen, um die Abbildungsfehler optischer Systeme zu beheben. Im Jahr 1840 entwickelte er anhand seiner Berechnungen sein bahnbrechendes Porträtobjektiv mit einer Lichtstärke von 1:3,7 (sowie ein Landschaftsobjektiv), wodurch die Porträtfotografie mittels der gerade erst efrundenen Daguerrotypie erst praktikabel wurde. Die Objektive wurden von Peter Wilhelm Friedrich von Voigtländer in Lizenz hergestellt, was zu einem langwierigen Rechtsstreit führte und Voigtländer zum Auswandern nach Braunschweig bewegte. Voigtländer machte damit ein Vermögen, wogegen Petzval praktisch nichts an seiner Erfindung verdiente.

 Jozef Maximilian Petzval originated from Hungary (today Slovak Republic) and was professor of mathematics in Vienna. He developed the foundation of modern lens design based on mathematical calculations in order to remove optical abberations. Using his mathematical approach, in 1840 he developed a ground-breaking portrait lens with a speed of 1:3.7 (and a less known landscape lens). This invention revolutionized portrait photography by the just previously invented daguerrotype. Peter Wilhelm Friedrich von Voigtländer was licensed to manufacture the new lenses, which lead to a long legal conflict and motivated Voigtländer to emigrate to Braunschweig. Voigtländer made a fortune from this lens while Petzval earned nearly nothing from his invention.


Derzeit benutze ich zwei Petzval-Objektive, ein französisches 3,7/210mm Aufnahme-Objektiv des berühmten Pariser Herstellers Darlot von etwa 1863-1866 und ein 4/138mm Projektions-Petzval von Ed. Liesegang aus Düsseldorf. Da es Petzval noch nicht gelang, das Bildfeld zu ebnen, zeigen diese Objektive bei offener Blende eine hohe Schärfe an einer Stelle mit deutlichem Schärfeabfall rund herum. Es handelt sich aber nicht um ein Weichzeichnerobjektiv, wie oft fälschlich angenommen.

I currently use two Petzval lenses, a French 3.7/210 camera lens by the famous Paris manufacturer Darlot from about 1863-1866 and a 4/138 projection Petzval by Ed. Liesegang from Düsseldorf (Germany). Petzval didn't find a way to remove the field of curvature and thus these lenses show a characteristic high resolution and sharpness only in a very limited region when wide open, which progressively degrades farther away from the focus point. Nevertheless, this is not a soft-focus lens, contrary to what is often assumed.


Goerz Rapid Paraplanat III (8/270mm)

Das Rapid Paraplanat war eines der allerersten Objektivkonstruktionen (1888) der Firma C.P. Goerz aus Berlin und war die etwas billigere Variante des berühmten Choroplast. Mit der hohen Qualität dieser Objektive legte Goerz die Wurzeln für seinen späteren Weltruhm, der leider nach der Fusion mit Zeiss zur  Zeiss Ikon AG (1926) langsam verlosch und heute nur noch bei Kennern am Leben ist.

The Rapid Paraplanat was one of the very first lens constructions (1888) of the new company C.P. Goerz in Berlin. It was a slightly cheaper version of the famous Choroplast. The high quality of those lenses were the foundation of the high world-wide reputation of Goerz, which faded away after the merger with Zeiss to form the Zeiss Ikon AG (1926). Today, Goerz lenses are highly esteemed among experts and connoisseurs but unknown else.

 

Dieser Rapid-Aplanat nach dem Vorbild der Konstruktion von Steinheil zeigt bereits bei offener Blende eine hohe Schärfe in der Bildmitte und eine sehr angenehme Charakteristik. Bei f/8 zeichnet es das Format 13x18 voll aus, bei kleinster Blende 30x40cm.

This rapid aplanat (rapid rectilinear), following the the construction of Steinheil, shows good resolution in the centre even wide open and a very pleasing characteristics. It covers 5x7" wide open and 12x16" stopped down all the way.


Goerz Doppelanastigmat Serie III  und Dagor

Doppel-Anastigmat Serie III 7.7/240 und Dagor 6.8/210
Doppel-Anastigmat Serie III 7.7/240 und Dagor 6.8/210
Doppel-Anastigmat Serie III/2 7.7/180 in Bausch&Lomb Automat shutter und Dagor 6.8/168 in Compound-Verschluß
Doppel-Anastigmat Serie III/2 7.7/180 in Bausch&Lomb Automat shutter und Dagor 6.8/168 in Compound-Verschluß

Der von Emil von Höegh konstruierte und 1892 patentierte Doppel-Anastigmat von GOeRz, später Dagor genannt, war einer der ersten und erfolgreichsten Anastigmaten überhaupt. Das Dagor hat für einige Jahrzehnte Maßstäbe gesetzt und dessen Weiterentwicklung, das Plasmat, ist bis heute die beste Standardkonstruktion für Großformatobjektive.

Emil von Höegh invented the Doppel-Anastigmat and in 1892 obtained the patent for GOeRz. Under the acronym DAGOR this lens became one of the most successful anastigmats for decades. This lens set a new standard in photography and it's later improvement, the Plasmat, is the "gold standard" of taking lenses for large format photography still.

 

Derzeit benutze ich vier Exemplare, einen Doppel-Anastigmat Serie III 7,7/240mm von etwa 1898 (oben links), ein Dagor 6,8/210mm von 1913 (oben rechts), einen Doppel-Anastigmat Serie III/2 7.7/180 in Bausch&Lomb Automat Verschluß von ca 1904 (unten links) und ein Dagor 6.8/168 in Compound-Verschluß  von ungefähr 1910 (unten rechts). Diese Objektive gehören zu meinen absoluten Favoriten wenn es um hohe Schärfe mit einer trotzdem angenehm weichen Zeichnung und schmeichelndem Kontrast geht.

Currently, I use four lenses of this type, a Doppel-Anastigmat Serie III 7,7/240mm from about 1898 (upper left), a 1913 Dagor 6,8/210mm (upper right), a Doppel-Anastigmat Serie III/2 7.7/180 in Bausch&Lomb Automat shutter from roughly 1904 (lower left) and Dagor 6.8/168 in Compound shutter  from around 1910 (lower right). These lenses are among my all-time favourites because they provide amazingly high resolution with a very pleasant, soothing look and beautifully gentle contrast.


Zeiss Tessar 4,5/18cm

Das von Paul Rudolph entwickelte und 1902 patentierte Tessar von Zeiss hatte den Spitznamen "Adlerauge" und das völlig zu Recht. Es gilt als die am meisten gebaute und am häufigsten kopierte Objektivkonstruktion bis heute.

The Zeiss Tessar, developed and patented 1902 by Paul Rudolph, was nicknamed the "eagle eye" and quite rightly so. It is considered the most often made and most widely copied lens construction of all times till today.

 

Dieses 4,5/18cm Tessar von 1923 zeigt eine unglaublich hohe Auflösung und Detailschärfe bei gleichzeitig gegenüber modernen Objetiven leicht reduziertem Kontrast. Es ist wunderbar geeignet für stimmungsvolle Landschaftsaufnahmen und große Objekte. Für Portrait und Nahaufnahmen ist es weniger gut als z. B. das Dagor, weil das Bokeh oft unruhig wirkt (Doppellinien, Kringel etc.). Für Außenaufnahmen ist der Compur-Verschluß sehr nützlich. Dieser über 90 Jahre alte Verschluß läuft präziser als mancher Copal-Verschluß von meinen modernen Optiken!

This 4.5/18cm Tessar, made 1923, shows an increadibly high resolution and sharpness in details, while, at the same time, it yields a slighly lower contrast compared to moderen coated lenses. It is very suitable for atmospheric landscapes and large objects. I consider it less useful for portrait or close-ups compared to a Dagor, since the bokeh often looks a bit nervous (double lines etc.). The Compur shutter comes in very handy for outdoors photography. The times of this more than 90 years old shutter are more accurate than those of many of my modern Copal shutters!


Meyer Görlitz Helioplan 5,4/16,5cm und Steinheil UnofoKal 4,5/15cm

Meyer, Görlitz und Steinheil, München, sind heute längst verschwunden und vergessen, waren aber zu ihrer Zeit herausragende Hersteller von Fotoobjektiven. Adolph Steinheil erfand 1864 das bahnbrechende Aplanat, Paul Rudolph entwickelte um 1918 für Hugo Meyer, Görlitz,  das bis heute gebräuchliche Plasmat. Helioplan und Unofokal sind Dialyte, wie sie noch heute für Repro-Objektive gebräuchlich sind (z.B. Rodenstock Apo-Ronar). 

Meyer, Görlitz and Steinheil, Munich are gone and forgotten for a long time by now but in their days the were highly regarded manufacturers of camera lenses. Adolph Steinheil invented the pioneering Aplanat (Rectilinear) in 1864 and Paul Rudolph developed the Plasmat around 1918 for Hugo Meyer, Görlitz, a lens type still state of the art today. Helioplan and Unofokal are Dialyte designs as they are still used today as process lenses (e.g. Rodenstock Apo-Ronar).

 

Sie zeigen eine hohe Detailschärfe und sehr gute Abbildungsleistungen im Nahbereich. Gleichzeitig zeichnen sie sich durch ein wunderbar weiches und ruhiges Bokeh aus, weshalb ich sie gerne für Detailaufnahmen verwende. Das Helioplan (links) ist etwa Baujahr 1926 und sehr gut erhalten. Das Unofokal (rechts) gibt mir ein Rätsel auf, da der Verschluß sich auf 1925 datieren läßt, die Linsen aber einfach-vergütet sind. Die Vergütung optischer Gläser ist erst 1935 erfunden worden.

They provide very high sharpness and detail resolution, particularly for close-ups. At the same time they show a beautiful soft bokeh, which is the reason why I love to use them for close-up work. The Helioplan (left) was made 1926 and is in excellent condition. The Unofokal (right) is a little bit of a mystery. The Compur shutter can be dated 1925 but the lenses are obviously single-coated.  Anti-reflection coating was developed during the 1930s and first applied industrially in 1935.


Emil Busch Bis-Telar 7.7/55cm

Bis-Telar 7.7/550
Bis-Telar 7.7/550

Als Telar wurde wohl ursprünglich ein einfacher Achromat langer Brennweite bezeichnet, sehr lichtschwach und oft von mangelhafter optischer Qualität. 1905 entwickelte K. Martin das Bis-Telar, das erste echte Tele-Objektiv der Photogeschichte, indem er zwei (daher Bis-Telar) unterschiedliche Achromate kombinierte. Er erreichte damit eine vergleichbar hohe Lichtstärke von 1:7, eine kompakte Bauweise und einen deutlich verkürzten Balgenauszug. Das hier abgebildete 7.7/55cm Bis-Telar kann ich problemlos an meiner Linhof Technika mit einem maximalen Auszug von 400mm verwenden. Die Nachteile dieser Konstruktion sind eine etwas weiche Zeichnung (bei f/7.7 sogar sehr weich) und ein manchmal wenig schönes Bokeh mit einer Tendenz zu Doppellinien. Es zeigt außerdem einen merklichen Focus shift beim Abblenden.

The name Telar originally had been used for a single achromat of long focal length, usually very slow and of mediocre optical quality. K. Martin developed the Bis-Telar in 1905, the first true tele-photo lens of history, by combining two different achromats (thus Bis-Telar). By this, he achived a relatively fast speed of 1:7, a rather compact design, and a considerable reduction of necessary bellows draw. I can use the 7.7/55cm Bis-Telar shown here on my Linhof Technika with a maximum bellows draw of 400mm without problems. The disadvantages of this design are that it is a bit soft (even pretty soft when wide open) and somtimes shows poor bokeh with a tendency for double lines. Also be aware of a noticeable focus shift when stopping down!